Gekaufter Eigenbedarf: Schutz des Mieters dringend erforderlich.
Aktualisiert: 19. Dez. 2024
Eine Gesetzesinitiative des DVJW
Seit vielen Jahren genießen Mieter in Deutschland einen gesetzlichen Schutz bei Begründung von Wohnungseigentum an ihrer Mietwohnung und anschließender Veräußerung der vermieteten Eigentumswohnung an Dritte. Zum einen berechtigt hierbei § 577 BGB den Mieter ein Vorkaufsrecht zum Erwerb der Wohnung auszuüben, sofern es sich bei dem Käufer nicht um einen Familien- oder Haushaltsangehörigen des Vermieters handelt. Zum anderen ist gemäß § 577a BGB eine ordentliche Kündigung wegen Eigenbedarfs des Vermieters oder zur angemessenen wirtschaftlichen Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB) erst nach Ablauf einer Sperrfrist von 3 bis 10 Jahren zulässig. Dieser befristete Kündigungsschutz wurde vom Gesetzgeber später gegen Umgehungen abgesichert und auf Fälle der Veräußerung vermieteter Wohnräume an eine Personengesellschaft oder mehrere Erwerber erstreckt, ohne dass hierbei zuvor eine Umwandlung in Wohnungseigentum stattgefunden haben muss. Ausgenommen von dieser Variante des Kündigungsschutzes sind allerdings Veräußerungen, bei denen die Gesellschafter der erwerbenden Personengesellschaft bzw. die Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören.
Angesichts der erheblichen Zunahme von Eigenbedarfskündigungen in den vergangenen Jahren und einer akuten Zuspitzung des Mangels an bezahlbarem Wohnraum (insbesondere in Ballungsgebieten) wird mit dem vorliegenden Gesetzgebungsvorschlag dafür geworben, den nach §§ 577, 577a BGB bestehenden Mieterschutz zu vereinheitlichen und mithin auf (nahezu) sämtliche Fälle der Veräußerung von vermieteten Wohnungen an Dritte, unabhängig von der vorherigen Begründung von Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG), zu erstrecken.
I. Ausgangslage
1. Wohnungssituation
Laut Statistischem Bundesamt lebten im Jahre 2022 ca. 58 % der deutschen Haushalte zur Miete, während ca. 42 % in den eigenen vier Wänden wohnten (sog. Eigentumsquote). In den deutschen Großstädten sind die Eigentumsquoten besonders niedrig: Laut Statistischem Bundesamt lag sie im Jahr 2022 in Berlin bei ca. 16 %, in Hamburg bei ca. 20 % und in Bremen bei ca. 32 %; in den Metropolen Frankfurt, Köln und München sah es ähnlich aus.
Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung fehlen in den 77 deutschen Großstädten rd. 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen, darunter etwa 1,4 Millionen günstige Apartments unter 45 Quadratmetern für Einpersonenhaushalte.[1] Gleichzeitig stieg in den vergangenen Jahren die Anzahl sog. Eigenbedarfskündigungen von Mietwohnungen gerade in deutschen Großstädten signifikant an. Empirische Erhebungen scheint es hierzu - soweit ersichtlich - zwar nicht zu geben. Zumindest mittelbar wird dieser Trend aber durch die Beratungs- und Prozessstatistik des Deutschen Mieterbundes (DMB) bestätigt. Darin wird auch ein prozentualer Anteil der von der DMB Rechtsschutz abgedeckten Gerichtsprozesse mit dem Streitgegenstand „Eigenbedarf“ im Verhältnis zur Gesamtzahl aller durch diese Rechtsschutzversicherung gedeckten Mietrechtsprozesse erhoben. In den zehn Jahren von 2013 bis 2022 ging dieses Verhältnis von 3,8 % (2013) auf 8,4 % (2022) nach oben, was einem absoluten Anstieg von einschlägigen Mietrechtsprozessen (gedeckt durch die DMB Rechtsschutz) von rd. 10.550 auf rd. 15.340 entspricht.[2] Auch beim Berliner Mieterverein haben die Beratungen von Mietern zu Eigenbedarfskündigungen in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Waren es im Jahr 2019 insgesamt 231 Beratungen wurden bis Mitte 2023 insgesamt bereits 5.867 Beratungen verzeichnet.[3]
Eine wesentliche Ursache für die steigende Anzahl von Eigenbedarfskündigungen in der letzten Dekade waren die Umwandlungen in Eigentumswohnungen. Häufig stehen die umgewandelten Wohnungen nach Umschreibung im Grundbuch als vermietete Einzelobjekte zum Verkauf. Laut dem Wohnungsmarktbericht 2022 der Investitionsbank Berlin entstanden in Berlin durch Aufteilung in Wohnungseigentum von 2012 bis 2021 insgesamt 148.543 Eigentumswohnungen. Bei der Mehrzahl dieser neu entstandenen Eigentumswohnungen handelte es sich nicht um selbstgenutzten Wohnraum (lediglich 42.200), sondern um Mietwohnungen. Von diesen 148.543 umgewandelten Eigentumswohnungen wurden im gleichen Zeitraum 126.491 Wohnungen verkauft. Im Jahr 2021 wurden von den 12.099 nach Aufteilung in Wohnungseigentum verkauften Eigentumswohnungen 3.032 Wohnungen (rd. ¼) als vermietet veräußert. Dabei erfolgten nur unter 5 % der Verkäufe an Mieter der verkauften Wohnungen.
2. Mieterschutz bei Umwandlung einer Miet- in eine Eigentumswohnung (Aufteilung nach WEG)
Der Bundesgesetzgeber hat de lege lata für den Fall der Umwandlung einer vermieteten Wohnung in eine Eigentumswohnung zugunsten der Wohnungsmieter ein Vorkaufsrecht (§ 577 BGB) sowie einen verstärkten Kündigungsschutz (§ 577a BGB) im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) vorgesehen.
a) Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 BGB
Seit dem 01.09.1993 besteht an vermieteten Wohnräumen, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, ein gesetzliches Vorkaufsrecht des Mieters (§ 577 BGB). Vorbild war der frühere § 2b WoBindG, der das Vorkaufsrecht an einer öffentlich geförderten Wohnung regelte; § 570b BGB (a.F.), die Vorgängervorschrift zu § § 577 BGB, erstreckte das Mietervorkaufsrecht auf den frei finanzierten oder bindungsfrei gewordenen Bestand. § 577 BGB lautet wie folgt:
„§ 577 Vorkaufsrecht des Mieters
(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. Dies gilt nicht, wenn der Vermieter die Wohnräume an einen Familienangehörigen oder an einen Angehörigen seines Haushalts verkauft. Soweit sich nicht aus den nachfolgenden Absätzen etwas anderes ergibt, finden auf das Vorkaufsrecht die Vorschriften über den Vorkauf Anwendung.
(2) Die Mitteilung des Verkäufers oder des Dritten über den Inhalt des Kaufvertrags ist mit einer Unterrichtung des Mieters über sein Vorkaufsrecht zu verbinden.
(3) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch schriftliche Erklärung des Mieters gegenüber dem Verkäufer.
(4) Stirbt der Mieter, so geht das Vorkaufsrecht auf diejenigen über, die in das Mietverhältnis nach § 563 Abs. 1 oder 2 eintreten.
(5) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam."
Die Vorschrift betrifft zum einen den Fall, dass die Wohnungsgrundbücher nach der Überlassung an den Mieter angelegt werden und anschließend der Wohnungskaufvertrag geschlossen wird. Nach der zweiten Alternative genügt eine Aufteilungsabsicht, die sich aber nach außen hinreichend manifestiert haben muss.
Zum Vorkauf berechtigt nur der erstmalige Verkauf nach Umwandlung in Wohnungseigentum bzw. in Umwandlungsabsicht.[4] Dies war bis zur vorzitierten Entscheidung des BGH im Jahr 2006 in der mietrechtlichen Fachliteratur umstritten. Nach einer Auffassung sollte das Vorkaufsrecht unbeschränkt bei jedem einzelnen Weiterverkauf der vermieteten Wohnung bestehen.[5] Der Grund hierfür liege darin, dass nur durch den Erstverkauf das Verdrängungsrisiko des Mieters signifikant erhöht werde, was bei weiteren Verkäufen nicht in gleicher Weise der Fall sei. Nach der Einschätzung des Gesetzgebers realisiere sich bei der gebotenen typisierenden Betrachtung bei einem zweiten Verkauf nicht mehr die Gefahr der Verdrängung des Mieters auf Grund einer spekulativen Umwandlung von Wohnungen in Eigentumswohnungen, der mit der Regelung des § 577 BGB begegnet werden soll.[6] Eine „Erschöpfung“ des Vorkaufsrechts tritt nach der Rechtsprechung auch dann ein, wenn der Mieter beim Erstverkauf kein Vorkaufsrecht geltend machen konnte, weil die Ausnahme gemäß § 577 Abs. 1 Satz 2 BGB (Veräußerung an Familien- oder Haushaltsangehörige) eingreift oder das Recht des Mieters gemäß § 471 BGB („Verkauf“ im Wege der Zwangsversteigerung oder aus einer Insolvenzmasse) nicht zum Tragen kommt.[7]
§ 577 BGB bezweckt den Schutz des Wohnungsmieters vor Verdrängung bei Verkauf umgewandelter Wohnungen.[8] Darin erschöpft sich der Schutzzweck dieser Regelung jedoch nicht. Vielmehr war dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien auch daran gelegen, dem Mieter die Möglichkeit zu eröffnen, die Wohnung zu einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter für die Wohnung zu zahlen bereit ist.[9] Nach der Begründung des Gesetzgebers zur Vorgängernorm des § 570b BGB (a.F.) sprach für die Ausweitung des Vorkaufsrechts, dass „der Schutz des Mieters vor einer Verdrängung im Zusammenhang mit einer Umwandlung bei frei finanzierten Wohnungen nicht weniger dringlich ist als bei Sozialwohnungen“. Der Mieter solle in die Lage versetzt werden, „vor der Entscheidung über den Kauf der Wohnung abzuwarten, ob der Vermieter einen anderen Käufer findet und ob dieser ggf. nur aus Gründen der Kapitalanlage erwerben will, so dass eine Kündigung des Mietverhältnisses nicht zu besorgen ist".[10] Das letztgenannte Motiv hat in der Gesetzesfassung allerdings keinen Niederschlag gefunden, weil der Mieter keine rechtliche Möglichkeit hat, sich über eine Kündigungsabsicht des Erwerbers zu informieren.
Übt der Mieter das gesetzliche Vorkaufsrecht nicht aus, so geht der Mietvertrag nach § 566 BGB vollumfänglich auf den Erwerber der Wohnung über.
b) Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung nach § 577a BGB
§ 577a BGB wurde durch das Mietrechtsänderungsgesetz vom 11.03.2013 mit Wirkung vom 01.05.2013 eingefügt und lautet wie folgt:
„§ 577a Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung
(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.
(1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter
1. an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder
2. zu Gunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird.
Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.
(2) Die Frist nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a beträgt bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 2 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete und die Frist nach Satz 1 durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens zehn Jahren zu bestimmen.
(2a) Wird nach einer Veräußerung oder Belastung im Sinne des Absatzes la Wohnungseigentum begründet, so beginnt die Frist, innerhalb der eine Kündigung nach § 573 Absatz 2 Nummer 2 oder 3 ausgeschlossen ist, bereits mit der Veräußerung oder Belastung nach Absatz 1a.
(3) Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam."
Die ursprüngliche Aufnahme besonderer Vorschriften zum Schutz gegen die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses in das Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 25.11.1971 wurde wegen der im Jahre 1971 bestehenden Lage auf dem Wohnungsmarkt zugunsten der Mieter für erforderlich gehalten. Der Bestandsschutz für den Mieter sei besonders gefährdet, weil gerade der Erwerb einer in eine Eigentumswohnung umgewandelten Mietwohnung regelmäßig erfolge, um eigenen Wohnbedarf zu befriedigen, sodass eine Wartefrist bei der Eigenbedarfskündigung des Erwerbers - auch wegen der Zunahme der Umwandlungsfälle - notwendig sei.[11] Die spätere Verlängerung der Kündigungssperrfrist von drei auf fünf Jahre durch Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Mieters bei Begründung von Wohnungseigentum an vermieteten Wohnungen von 1990 sollte den Mieter in Gebieten, in denen er wegen eines zu geringen Angebots an Wohnraum nur schwer eine angemessene Ersatzwohnung finden kann, besser gegen eine Verdrängung aus seiner bisherigen Wohnung schützen. Gleichzeitig sollte hierdurch die unter wohnungswirtschaftlichen Gesichtspunkten unerwünschte spekulative Umwandlung von Mietwohnungen eingedämmt werden.[12] Die heutige Kündigungssperre des § 577a BGB verfolgt den Zweck, Wohnraummietern, die infolge einer nach Überlassung erfolgten Umwandlung in Wohnungseigentum und durch dessen Veräußerung erhöhter Verdrängungsgefahr ausgesetzt sind, befristeten Bestandsschutz zu gewähren.[13] Sie schützt vor allem diejenigen Mieter, die ihre Wohnung nicht kaufen wollen oder können. Die Mieter sollen in den betreffenden Gebieten mehr Zeit für die Suche einer neuen Wohnung erhalten. Auch sollen längere Sperrfristen Interessenten für umgewandelte Wohnungen stärker abschrecken und spekulative Umwandlungsaktivitäten wirksamer eindämmen.[14]
Die Kündigungsbeschränkung kommt zum Tragen, wenn Wohnraum an einen Mieter überlassen wird, bevor die Wohnungsgrundbücher angelegt sind. In diesem Fall ist eine Kündigung durch den Ersterwerber wegen Eigenbedarfs oder zur angemessenen wirtschaftlichen Verwertung (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 BGB) für drei Jahre ausgeschlossen (sog. Kündigungssperrfrist); § 573 Abs. 2 Nr. 3 letzter Halbsatz BGB stellt klar, dass eine Kündigung des Verkäufers wegen beabsichtigter Veräußerung neu begründeten Wohnungseigentums nicht in Betracht kommt:
„der Vermieter kann sich auch nicht darauf berufen, dass er die Mieträume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will."
Das Mietrechtsänderungsgesetz[15] hat mit Wirkung ab 01.05.2013 in § 577a Abs. 1a BGB auf Rechtsgestaltungen reagiert, bei denen zumindest bis zur Kündigung durch den Erwerber kein Wohnungseigentum begründet wurde, so dass die Kündigungssperrfrist des § 577a Abs. 1 BGB nicht anwendbar war.[16] Bei diesen Gestaltungen erwarben die künftigen Eigennutzer die ungeteilte Immobilie als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder Miteigentümer. Die regelmäßig beabsichtigte Begründung von Wohnungseigentum wurde erst vorgenommen, nachdem Bestandsmieter wegen Eigenbedarfs zulässiger Weise gekündigt wurden.[17] Durch die Einfügung von Absatz 1a Satz 1 wurde die Kündigungssperrfrist auf derartige Sachverhalte erweitert. Sie gilt seither entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter (i.) an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder (ii.) zu Gunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird. Nach der Ausnahmeregelung in § 577a Abs. 1a Satz 2 gilt diese Kündigungssperrfrist allerdings dann nicht, wenn die Gesellschafter der erwerbenden Personengesellschaft oder die Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist.
Die 3-Jahres-Frist wird mit Beginn der Vollendung des Erwerbs gemäß §§ 873, 925 BGB berechnet, also erst ab Grundbucheintragung des Erwerbers als neuer Eigentümer.[18] Irrelevant ist, wieviel Zeit schon seit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher verstrichen ist. Wird das Wohnungseigentum von einem ersten Erwerber weiterveräußert, beginnt die Frist nicht erneut.[19]
Nach § 577a Abs. 2 BGB kann die Sperrfrist durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen in Gebieten mit Wohnungsmangel bis auf zehn Jahre verlängert werden.[20]
Von dieser Befugnis haben die Bundesländer großzügig Gebrauch gemacht. Das Land Berlin hat dies zum Beispiel erstmalig mit der Verordnung im Sinne des § 577a Abs. 2 BGB über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung (auch „Kündigungsschutzklausel-Verordnung" genannt) vom 20.07.2004 getan. Seit dem 01.10.2023 sieht die aktuelle Fassung der Kündigungsschutzklausel-Verordnung vom 13.06.2023[21] für ganz Berlin eine Kündigungssperrfrist von zehn Jahren nach Umwandlung in eine Eigentumswohnung und anschließender Veräußerung vor. Sie tritt am 30.09.2033 außer Kraft. Allerdings hat der Verordnungsgeber stets zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer Verordnung vorliegen. Er hat ggf. bei tatsächlich eingetretenen Veränderungen am Wohnungsmarkt den Verordnungsrahmen anzupassen.
3. Verbote der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen mit Genehmigungsvorbehalt
a) Baulandmodernisierungsgesetz (§ 250 BauGB)
Als eine Reaktion auf die sozialpolitischen Herausforderungen der akuten Wohnraumnot in Deutschland ist am 23.o6.2o21 das sog. Baulandmobilisierungsgesetz in Kraft getreten. Es beinhaltet weitreichende Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB) und in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) mit dem erklärten Ziel, die Mobilisierung von Bauland in Deutschland voranzutreiben und dazu insbesondere die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinden im Bauplanungsrecht zu stärken.
Der neue § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung „Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt" zu bestimmen, innerhalb derer die Begründung oder Teilung von Wohnungs- oder Teileigentum der Genehmigung bedarf.[22] Ein solches Gebiet liegt nach dem neuen § 2o1a Satz 3 BauGB vor, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, wobei § 201a Satz 4 BauGB Regelbeispiele für das Vorliegen eines solchen Gebietes enthält. Das Land Berlin hat eine Verordnung zur Bestimmung des Landes Berlin als Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt gemäß § 201a BauGB (Angespannter-Wohnungsmarkt-Verordnung-AwohnV vom 16.11.2021) [23] erlassen. Damit bedarf die Begründung oder Teilung von Wohnungs- oder Teileigentum nach § 1 WEG im Land Berlin grundsätzlich der Genehmigung gemäß § 25o Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Dieser Genehmigungsvorbehalt gilt nicht für aufzuteilende Neubauten, insbesondere also nicht für den Bauträgerbereich, sondern nur für Gebäude, die bereits am Tag des Inkrafttretens der jeweils umsetzenden Landesverordnung bestanden (§ 250 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Das Genehmigungserfordernis gilt nach § 250 Abs. 1 Satz 2 BauGB zudem nicht, wenn sich in dem Wohngebäude nicht mehr als fünf Wohnungen befinden, wobei diese Anzahl durch die Rechtsverordnungen der Bundesländer auf zwischen drei und 15 Wohnungen geändert werden kann (§ 250 Abs. 1 Satz 6 BauGB). In bestimmten Fällen besteht nach § 250 Abs. 3 Satz 1 BauGB ein zwingender Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, und zwar wenn
das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Sondereigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll;
das Sondereigentum zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden soll;
das Sondereigentum zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll;
auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls ein Absehen von der Begründung von Sondereigentum nicht mehr zumutbar ist; oder
ohne die Genehmigung Ansprüche Dritter auf Übertragung von Sondereigentum nicht erfüllt werden können, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist.
Nach § 250 Abs. 4 Satz 1 BauGB darf die Genehmigung darüber hinaus nur versagt werden, wenn dies für die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnraum erforderlich ist. Sie kann zudem mit Auflagen versehen werden. In der Genehmigung kann gemäß § 250 Abs. 3 Satz 2 auch bestimmt werden, dass auch die Veräußerung von Sondereigentum einer entsprechenden Genehmigung bedarf, was im Grundbuch einzutragen ist. § 250 Abs. 6 BauGB enthält zudem Regelungen, um Umgehungsversuche zu verhindern.
b) Soziale Erhaltungsgebiete (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB)
Nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB sind die Landesregierungen außerdem ermächtigt, im Geltungsbereich von Erhaltungssatzungen durch Rechtsverordnung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen, dass die Begründung von Wohnungseigentum oder Teileigentum (§ 1 WEG) an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, nicht ohne Genehmigung erfolgen darf. Zum Grundbuchvollzug ist die Vorlage eines Genehmigungsbescheides bzw. eines Negativzeugnisses jedoch nur dann erforderlich, wenn das entsprechende Bundesland eine entsprechende Rechtsverordnung[24] erlassen hat.
Nach § 172 Abs. 4 BauGB darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll und die beabsichtigte Aufteilung dem zuwider laufen würde. Gemäß § 172 Abs. 4 Satz 3 BauGB besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn
die Änderung einer baulichen Anlage der Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen dient;
die Änderung einer baulichen Anlage der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) oder der Energieeinsparverordnung (EnEV), wenn diese nach § 111 Abs. 1 GEG weiter anzuwenden ist, dient;
das aufzuteilende Grundstück zu einem Nachlass gehört und Sondereigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden soll;
das Sondereigentum entgeltlich oder unentgeltlich zur Eigennutzung an Familienangehörige veräußert wird;
eine Vormerkung auf Bildung und Übertragung von Sondereigentum bereits im Grundbuch eingetragen ist;
das Gebäude zum Zeitpunkt der Antragstellung zur Begründung von Sondereigentum im Ganzen nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt wird;
sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von sieben Jahren ab Begründung von Sondereigentum die Wohnung nur an Mieter zu veräußern.
Im Genehmigungsbescheid kann die Gemeinde zur Absicherung der vorstehend zitierten Verpflichtung nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 6 BauGB (Veräußerung der Wohnung ausschließlich an Mieter innerhalb von 7 Jahren ab Begründung von Sondereigentum) festlegen, dass die Veräußerung von Wohnungseigentum während der Dauer der Verpflichtung ihrer Genehmigung bedarf (§ 172 Abs. 4 Satz 4 BauGB). Dieser Genehmigungsvorbehalt kann auf Ersuchen der Gemeinde in das Grundbuch für die betroffenen Sondereigentumseinheiten eingetragen werden (§ 172 Abs. 4 Satz 5 BauGB).
Greift hinsichtlich des betroffenen Gebietes sowohl eine Rechtsverordnung aufgrund von § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB (Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten i. S. d. § 201a Satz 3 und 4 BauGB) als auch eine Verordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB (soziale Erhaltungsgebiete i. S. d. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) ein, geht die Rechtsverordnung aufgrund des § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB vor (§ 250 Abs. 7 Satz 1 BauGB). Dieser Anwendungsvorrang gilt jedoch dann nicht, wenn nach § 250 Abs. 1 Satz 2 und 6 BauGB (i.V.m. der jeweiligen Landesverordnung gem. § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB) keine Genehmigungspflicht besteht.
II. Vorschlag für einen Gesetzentwurf zur Ausdehnung des Mieterschutzes nach §§ 577, 577a BGB auf sämtliche Veräußerungen von Mietwohnungen
1. Inhalt der vorgeschlagenen Neuregelung
Zur Verbesserung des Mieterschutzes bei Wohnungsveräußerungen sollten das Mietervorkaufsrecht gemäß § 577 BGB und die Kündigungsbeschränkung nach § 577a BGB auf (nahezu) sämtliche Fälle der Veräußerung von vermieteten Wohnräumen erweitert werden. Zu diesem Zweck sollten die künftigen Regelungen zugunsten des Wohnraummieters im Falle der Veräußerung der von ihm gemieteten Wohnung durch seinen Vermieter an Dritte im Wesentlichen Folgendes beinhalten:
a) Dem Mieter steht ein generelles Vorkaufsrecht für sämtliche Fälle des Verkaufs einer vermieteten Wohnung an Dritte zu, wobei die gesetzlichen Ausnahmen für Verkäufe an Familienangehörige oder Angehörige des Haushalts des Vermieters (§ 577 Abs. 1 Satz 2 BGB) und "Verkäufe" im Wege der Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung) oder aus einer Insolvenzmasse (§ 471 BGB) entsprechend erhalten bleiben.
b) Der Erwerber der vermieteten Wohnung kann in den ersten drei Jahren nach Eigentumsumschreibung auf ihn das bestehende Mietverhältnis nicht wegen Eigenbedarfs oder zur angemessenen wirtschaftlichen Verwertung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 BGB wirksam kündigen. Diese Kündigungssperrfrist kann durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen in Gebieten mit Wohnungsmangel auf bis zu zehn Jahre verlängert werden.
In § 577 BGB ist die zu lit. a) vorgeschlagene Änderung durch ersatzlose Streichung des Satzteils: „an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist oder begründet werden soll,“ und des vorausgehenden Kommazeichens in Absatz (1) Satz 1 durchführbar. Die übrigen Regelungen in § 577 BGB bleiben unverändert.
Die zu lit. b) vorgeschlagene Änderung des § 577a BGB ließe sich wie folgt umsetzen:
- Absatz (1) wird neu gefasst und lautet künftig wie folgt:
„Werden vermietete Wohnräume an einen Dritten verkauft, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen."
- Absatz (1a) wird ersatzlos gestrichen.
- In Absatz (2) Satz 1 wird der Satzteil: „oder nach Absatz 1a“ ersatzlos gestrichen. Absatz (2) Satz 2 bleibt unverändert.
- Absatz (2a) wird ersatzlos gestrichen.
- Absatz (3) bleibt unverändert.
2. Erforderlichkeit der Neuregelung
Die Veräußerung vermieteter Wohnungen an eine Vielzahl privater Eigentümer begründet für Mieter das Risiko, wegen Eigenbedarfs gekündigt zu werden. Die Ausübung dieses ordentlichen Kündigungsrechts durch den Erwerber kommt in den vergangenen Jahren immer häufiger vor.[25] Mieter, die finanziell nicht in der Lage sind, die Mietwohnung selbst zu erwerben und/oder aufgrund angespannter Wohnungsmärkte (etwa in Berlin) eine angemessene vergleichbare Mietwohnung zu finden, sind von dem Wohnungsverlust infolge der Eigenbedarfskündigung besonders schwer betroffen.
Ein gesetzlicher Regelungsbedarf besteht deshalb, weil die Mieter bei Veräußerung der von ihnen bewohnten Mietwohnungen durch die vorhandenen gesetzlichen Vorschriften vor einer Eigenbedarfskündigung des Erwerbers derzeit nicht ausreichend geschützt sind. Zwar hat der Gesetzgeber in §§ 577, 577a BGB einen besonderen Schutz des Wohnraummieters bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vorgesehen. Allerdings erscheinen diese Regelungen gerade in den zunehmenden Fällen, in denen der Erwerber vermietete Wohnräume bereits in der Absicht kauft, das bestehende Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs ordentlich zu kündigen (sog. gekaufter Eigenbedarf), als lückenhaft bzw. ergänzungsbedürftig.
Der Mieter wird sein Vorkaufsrecht in der Regel nur dann ausüben wollen, wenn er tatsächlich Kenntnis davon hat, dass der Käufer eine Eigennutzungsabsicht besitzt. Allerdings steht dem Mieter kein Anspruch gegen den Käufer auf Auskunft darüber zu, zu welchem Nutzungszweck dieser die Wohnung kauft, vor allem ob er die Mietwohnung ausschließlich zur Kapitalanlage erwerben will oder die Absicht hat, das bestehende Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen.
Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahren zu verzeichnenden deutlichen Zunahme von Eigenbedarfskündigungen und der gleichzeitig eingetretenen Verknappung von bezahlbarem Wohnraum besteht ein dringender Handlungsbedarf für den Gesetzgeber zur tatbestandlichen Öffnung des Mietervorkaufsrechtes (§ 577 BGB) und des befristeten Kündigungsschutzes (§ 577a BGB) für sämtliche Fälle der Veräußerung von vermieteten Wohnungen an Dritte,[26] wobei die bestehenden gesetzliche Ausnahmen vom Mietervorkaufsrecht (§ 577 Abs. 1 Satz 2, § 471 BGB) entsprechend fortgelten können.
Überzeugende Gründe für eine Beibehaltung der lediglich eingeschränkten Berechtigung zur Inanspruchnahme der besonderen Schutzregelungen in §§ 577, 577a BGB ausschließlich durch Mieter im Anschluss an die erstmalige Veräußerung ihrer Wohnungen an Dritte nach Bildung von Wohnungseigentum und in gleichgestellten Sachverhalten (§ 577a Abs. 1a Satz 1 BGB) sind dagegen nicht ersichtlich. Insbesondere dürfte mittlerweile die Wahrscheinlichkeit einer Eigenbedarfskündigung bei Erstveräußerungen nach Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, wenn überhaupt, nur noch unwesentlich höher sein als in den übrigen Fällen des Erwerbs von vermieteten Wohnräumen (z.B. spätere Folgeverkäufe nach Umwandlung). Sollte es auf dieses Kriterium bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der vorgeschlagenen gesetzlichen Neuregelung überhaupt entscheidend ankommen, könnte zur Rechtfertigung einer Differenzierung zwischen Erst- und Folgeverkäufen mithin auch nicht mehr schlüssig auf eine durch die Umwandlung herbeigeführte „gesteigerte Verdrängungsgefahr“ für Wohnungsmieter abgestellt werden.
Es ist außerdem kein sachlicher Grund erkennbar, dem künftigen Nutzungsinteresse eines potentiellen Erwerbers einer bereits vermieteten Wohnung ein höheres Gewicht einzuräumen als dem Bestandsinteresse des Wohnungsmieters. Dafür spricht bereits der Umstand, dass der potentielle Käufer stets Kenntnis von dem bestehenden Mietverhältnis hat und sich trotzdem zum Erwerb entscheidet, wohl wissend, dass er dem Mieter womöglich wird kündigen und ggf. seinen Anspruch auf Räumung der Wohnung wird durchsetzen müssen. Letzteres führt in der Regel zu einer enormen psychischen und mitunter auch gesundheitlichen Belastung für den Mieter und dessen Familienangehörige, welche gerade bei der Eigenbedarfskündigung von Mietwohnungen in Großstädten zusätzlich noch dadurch verstärkt wird, dass ein angemessener Ersatzwohnraum für die gekündigten Mieter innerhalb der Kündigungs- und Räumungsfrist entweder gar nicht oder nur zu erheblich höheren Mieten zur Verfügung steht und dies häufig ggf. nur weit entfernt von der Lage der gekündigten Wohnung. [27]
Im Übrigen dürfte in Fällen eines nur "gekauften Eigenbedarfs", dem häufig renditegetriebene Verwertungsabsichten zu Grunde liegen dürften, die Gefahr eines Missbrauchs des ordentlichen Kündigungsrechtes nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 2 BGB durch einen nur vorgetäuschten Bedarf der Wohnung zur Nutzung durch den Erwerber selbst, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts[28] wesentlich größer sein als bei der "gewöhnlichen" Eigenbedarfskündigung durch einen (langjährigen) Vermieter. Oftmals gelingt es den Mietern dann auch vor Gericht nicht, den vom Erwerber behaupteten Eigenbedarf zu widerlegen bzw. einen Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB) zu beweisen.
3. Verfassungsrechtliche Vorfragen
a) Prüfungsmaßstab Eigentumsgarantie (Art. 14 GG)
Das Eigentum am Wohnraum weist einen besonderen sozialen Bezug auf, denn große Teile der Bevölkerung können aus finanziellen Gründen keinen eigenen Wohnraum erwerben bzw. schaffen und sind daher in existentieller Weise auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen.[29]
Das Bundesverfassungsgericht hat es für verfassungsrechtlich unzulässig erachtet, wenn ein Kündigungsrecht wegen Eigenbedarfs allein deshalb verneint wird, weil der Eigentümer den Bedarfsgrund willkürlich herbeigeführt hat.[30]
Folgerichtig bestimmt Art. 14 I 2 GG, dass Inhalt und Schranken des Eigentums durch Gesetze zu regeln sind. Die Verfassung verpflichtet damit den Gesetzgeber, dem Grundrecht auf Eigentum durch gesetzliche Regelungen – also durch „einfaches Recht“ – Inhalt zu verleihen.[31]
Den Gesetzgeber trifft demnach ein Regelungsauftrag, der ihn verpflichtet, durch Gesetzesrecht vermögensrechtliche Positionen zu schaffen, die die Bezeichnung als Eigentum verdienen.[32] Für die ihm obliegende Ausgestaltung, also für die Bestimmung des Eigentumsinhalts, kann der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum beanspruchen, was allerdings nicht bedeutet, dass der Gesetzgeber beliebig darüber befinden kann, in welcher Weise er das Eigentum ausgestaltet.[33] Die maßgeblichen Hinweise zur Ausgestaltung des Eigentums sind vielmehr der Verfassung selbst zu entnehmen.[34] An dieser Stelle erlangt neben der Institutsgarantie aus Art. 14 I GG das in Art. 14 II GG geregelte Sozialgebot maßgebliche Bedeutung.[35]
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, bei Erfüllung des Regelungsauftrags gemäß Art. 14 I 2 GG der Bestandsgarantie des Art. 14 I 1 GG und dem Gebot einer sozialgerechten Eigentumsordnung gemäß Art. 14 II GG in gleicher Weise Rechnung zu tragen und die schutzwürdigen Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.[36] Die Eigentumsgarantie schützt einerseits keine Nutzung, die die soziale Funktion eines Eigentumsobjekts missachtet, andererseits kann die Sozialklausel aber auch keine übermäßige Begrenzung privatrechtlicher Befugnisse rechtfertigen, die durch die soziale Funktion des Eigentums nicht geboten ist.[37]
b) Einschlägige Rechtsprechung des BVerfG im Wohnraummietrecht
Im Folgenden zitieren wir aus den einschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Wohnraummietrecht relevante Aussagen für den vorstehenden Gesetzgebungsvorschlag:
BVerfG, Beschluß vom 1. 7. 1964 - 1 BvR 375/62, BVerfGE 18, 121, 131 f.:
„Bei dieser Abgrenzung muß er auch der durch Art. 14 Abs. 2 GG ausgesprochenen Sozialbindung des Eigentums des Vermieters Rechnung tragen. Bei der Bedeutung, die die Wohnung als Mittelpunkt der menschlichen Existenz auch dann hat, wenn sie nicht im Eigentum der Bewohner steht, sondern nur gemietet ist (vgl. die Wertentscheidung des Art. 13 GG), können sich für den Gesetzgeber besondere verfassungsrechtliche Pflichten zum Schutze der Mieter ergeben. So kann die Sozialbindung des Eigentümers dem Gesetzgeber Anlaß geben, in Zeiten des Wohnungsmangels der Gruppe der Mieter besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Umgekehrt muß aber der Gesetzgeber, wenn er einen solchen Schutz gewährt, befugt sein, sachlich gebotene Ausnahmen zu machen. Die Schaffung eines „sozialen Mietrechts” läßt dem Gesetzgeber viele Möglichkeiten; Sache seines Ermessens ist es, in welcher Form und mit welcher Intensität er der Wohnungsmiete Bestandsschutz gewähren will.“
BVerfG, Urteil vom 14. Februar 1989 – 1 BvR 308/88 –, BVerfGE 79, 292, Rz. 26:
„Je stärker ein Eigentumsobjekt soziale Funktionen erfüllt, desto größere Einschränkungen seiner Befugnisse muß der Eigentümer von Verfassungs wegen hinnehmen (vgl. BVerfGE 52, 1 (32) m. w. N.). Danach unterliegt das Eigentum an vermieteten Wohnungen erheblichen Beschränkungen. Was dem Eigentümer an Einschränkungen abverlangt werden darf, ist von den jeweiligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen abhängig (BVerfGE 52, 1 (30)). Große Teile der Bevölkerung können aus finanziellen Gründen keinen eigenen Wohnraum schaffen und sind daher auf die Nutzung fremden Eigentums angewiesen (vgl. BVerfGE 38, 348 (370)). Der Ausgangspunkt des Gesetzgebers, daß jedenfalls bundesweit gesehen keine Wohnungsnot wie in den Nachkriegsjahren herrscht, verpflichtete ihn nicht, den Geltungsbereich des sozialen Kündigungsschutzes - wie noch im Regierungsentwurf zum Ersten Wohnraumkündigungsschutzgesetz vorgesehen (Art. 2 § 1 Abs. 1, § 2; BTDrucks. VI/1549 S. 2 und 7 f.) - auf bestimmte Gebiete mit erheblichem Wohnungsfehlbestand zu beschränken. Die bundesweite flächendeckende Einführung des Kündigungsschutzes rechtfertigt sich aus der Erkenntnis, daß unabhängig von der Lage auf dem Wohnungsmarkt für den Mieter der Verlust seiner bisherigen Wohnung, die Wohnungssuche und der Umzug mit Belastungen verbunden sind, die seinen engeren persönlichen Lebenskreis betreffen. Der vertragstreue Mieter verdient Schutz davor, daß ihm diese Folgen auferlegt werden, ohne daß dies durch berechtigte Interessen des Vermieters begründet wäre. Dieser Schutz wird ihm - wie der Bundesgerichtshof in seinem Rechtsentscheid vom 20. Januar 1988 (BGHZ 103, 91 (100)) entschieden hat - unabhängig von seiner individuellen Situation gewährt; die konkreten Interessen des Mieters entfalten danach nicht schon im Rahmen des § 564b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB, sondern erst bei der Prüfung der sogenannten Sozialklausel (§ 556a BGB) Rechtswirkungen. Dieses in Anwendung einfachen Rechts gewonnene Ergebnis steht mit der Verfassung in Einklang.“
BVerfG, Beschluss vom 26. Mai 1993 – 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1, Rz. 18 u. 27 ff. (zum Besitzrecht des Mieters als Eigentum i. S. d. Art. 14 I 1 GG):
„Auf Art. 14 Abs. 2 GG kann sich der Beschwerdeführer nicht berufen. Diese Bestimmung ist nur Richtschnur und Grenze für den objektivrechtlichen Auftrag an den Gesetzgeber, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Sie verpflichtet den Gesetzgeber, bei der Ordnung des Mietrechts die Belange des Mieters angemessen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 37, 132, 140 f.), erhebt indes den Mieterschutz nicht zu einer subjektiven Grundrechtsverbürgung (vgl. BVerfGE 21, 73, 83; 80, 137, 150).“
„b) Die Befugnisse von Mieter und Vermieter zuzuordnen und abzugrenzen, ist Aufgabe des Mietrechts. Der Gesetzgeber muß die schutzwürdigen Interessen beider Seiten berücksichtigen und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Ein Eigentumsschutz des Mieters für sein Besitzrecht dient dabei der Abwehr solcher Regelungen, die das Bestandsinteresse des Mieters gänzlich mißachten oder unverhältnismäßig beschränken. Die Eigentumsgarantie bleibt also - hier wie auch sonst staatsgerichtet. Der Eigentumsschutz des Mieters unterscheidet sich in seiner Struktur nicht von demjenigen des Vermieters und Eigentümers. Eine bestimmte Ausgestaltung des Mietrechts kann allerdings aus dem Grundgesetz nicht abgeleitet werden. Namentlich folgt aus dem Eigentumsschutz des Besitzrechts nicht, daß im Konflikt beider durch die Verfassung geschützten Eigentumspositionen das Bestandsinteresse des Mieters in jedem Falle vorgeht. Für die Regelfälle ordentlicher Kündigungen hat der Gesetzgeber die notwendige Interessenabwägung mit § 564 b BGB und § 556 a BGB vorgenommen (zum Verhältnis beider Vorschriften aus einfachrechtlicher Sicht vgl. BGHZ 103, 91, 96, 100 und dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht BVerfGE 79, 292, 302 f.). Er hat dabei sowohl die Belange des Mieters, nämlich sein Bestandsinteresse, als auch die des Vermieters, nämlich sein Erlangungsinteresse, in angemessener Weise berücksichtigt. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung, die als solche mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozial gebundenen Eigentums nicht in Einklang stünde, ist nicht erkennbar (vgl. BVerfGE 68, 361, 371). Die Eigentumsgarantie entfaltet ihre freiheitssichernde Funktion in beide Richtungen. Der vertragstreue Mieter wird gegen einen Verlust seiner Wohnung geschützt, der nicht durch berechtigte Interessen des Vermieters begründet ist. Die Wohnung als der räumliche Mittelpunkt freier Entfaltung seiner Persönlichkeit, als Freiraum eigenverantwortlicher Betätigung, kann ihm nicht ohne beachtliche Gründe durch Kündigung entzogen werden (vgl. BVerfGE 68, 361, 371). Der Vermieter wird in seiner Freiheit geschützt, die Wohnung bei Eigenbedarf wieder selbst als seinen Lebensmittelpunkt zu nutzen (oder durch privilegierte Angehörige nutzen zu lassen), wobei die Entscheidung über seinen Wohnbedarf grundsätzlich zu achten ist und ihm nicht fremde Vorstellungen über angemessenes Wohnen und seine weitere Lebensplanung (oder diejenige seiner privilegierten Angehörigen) aufgedrängt werden dürfen (vgl. BVerfGE 79, 292, 305).“
BVerfG, Beschluss vom 04.04.2011 − 1 BvR 1803/08, NZM 2011, 479, 480, Rz. 29:
„Art. 14 I 1 GG schützt nicht nur die Eigentumsposition des Vermieters. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum i. S. von Art. 14 I 1 GG (vgl. BVerfGE 89, 1 [6] = NJW 1993, 2035). Die Befugnisse von Mieter und Vermieter zuzuordnen und abzugrenzen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Er muss die schutzwürdigen Interessen beider Seiten berücksichtigen und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen und hat dabei mehrere Gesichtspunkte zu beachten. Er muss den Vorgaben Rechnung tragen, die sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 I 1 GG und andererseits aus der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 II GG ergeben (BVerfGE 25, 112 [117]; BVerfGE 37, 132 [140] = NJW 1974, 1499) und berücksichtigen, dass sich Vermieter und Mieter gleichermaßen auf das Grundrecht aus Art. 14 I 1 GG berufen können (BVerfGE 89, 1 [6 ff.] = NJW 1993, 2035).“
BVerfG, Beschluss vom 04.04.2011 − 1 BvR 1803/08, NZM 2011, 479, 480, Rz. 26, 29 u. 32 (zu § 577 BGB):
„Der BGH hat die damit im Gesetz entstandene Lücke auch in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise geschlossen. Er hat sich an der Wertung des Gesetzgebers orientiert, dass ein besonderer Schutzbedarf für den Mieter besteht, wenn er nach einem Verkauf einem neuen Vermieter gegenübersteht, der sich ihm gegenüber auf Eigenbedarf berufen kann. Dieser Schutzbedarf unterscheidet sich – anders als die Bf. meint – in keiner Weise, wenn ein gemietetes Reihenhaus in Wohnungseigentum umgewandelt wird oder wenn es durch reale Teilung Bestandteil eines selbstständigen Grundstücks wird. Vielmehr sind die Interessenlage und der Schutzbedarf der Mieter, worauf der BGH mit Recht abstellt, identisch. Dasselbe gilt für das Interesse an einer Ausübung des Vorkaufsrechts. Auch dieses ist im Falle einer Realteilung nicht geringer als im Falle einer Umwandlung in Wohnungseigentum.”
„Art. 14 I 1 GG schützt nicht nur die Eigentumsposition des Vermieters. Auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung ist Eigentum i. S. von Art. 14 I 1 GG (vgl. BVerfGE 89, 1 [6] = NJW 1993, 2035). Die Befugnisse von Mieter und Vermieter zuzuordnen und abzugrenzen, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Er muss die schutzwürdigen Interessen beider Seiten berücksichtigen und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen und hat dabei mehrere Gesichtspunkte zu beachten. Er muss den Vorgaben Rechnung tragen, die sich einerseits aus der grundgesetzlichen Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 I 1 GG und andererseits aus der verbindlichen Richtschnur des Art. 14 II GG ergeben (BVerfGE 25, 112 [117]; BVerfGE 37, 132 [140] = NJW 1974, 1499) und berücksichtigen, dass sich Vermieter und Mieter gleichermaßen auf das Grundrecht aus Art. 14 I 1 GG berufen können (BVerfGE 89, 1 [6 ff.] = NJW 1993, 2035).“
„Die Entscheidung folgt dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck der Regelung des § 577 BGB. Der Gesetzgeber hat mit dem Vorkaufsrecht in § 577 BGB zwar die Dispositionsbefugnis des Eigentümers über sein Eigentum eingeschränkt. Er hat dies aber zum Schutz des Besitzrechts des Mieters getan, das seinerseits durch Art. 14 I 1 GG geschützt ist (BVerfGE 89, 1 [5 ff.] = NJW 1993, 2035). Nach der Vorstellung des Gesetzgebers dient die Einräumung eines Vorkaufsrechts durch § 577 BGB zu Gunsten des Mieters einem sachgerechten Ausgleich der beiderseitigen Grundrechtspositionen. Dem Vermieter bleibt die Möglichkeit, sein Eigentum zu veräußern; der Mieter kann sich durch die Ausübung des Vorkaufsrechts vor einer Verschlechterung seiner kündigungsrechtlichen Position durch die Veräußerung schützen, ohne dass er die Veräußerung selbst verhindern könnte. Diese droht, weil immer dann, wenn ein Eigentümer mehrerer Einheiten von Wohnraum diese aufspaltet und einzeln veräußert, regelmäßig jedem Mieter ein Eigentümer gegenübersteht, der sich auf Eigenbedarf berufen kann (Blank, in: Schmidt-Futterer, MietR, 10. Aufl. [2011], § 577 Rdnrn. 1 f.). Dieses verschärfte Risiko einer Eigenbedarfskündigung hat den Gesetzgeber veranlasst, die §§ 577, 577 a BGB zu schaffen, die zwar die Rechtsposition des Mieters verbessert, aber dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck dient, dessen Eigentumsposition zu schützen, ohne den Eigentümer des Wohnraums übermäßig in seinen Grundrechten zu beschränken. Denn die Möglichkeit zur Veräußerung seines Eigentums bleibt auch bei Anwendung der §§ 577, 577 a BGB grundsätzlich erhalten. Damit trägt der Gesetzgeber den beiderseitigen verfassungsrechtlich geschützten Positionen von Vermieter und Mieter Rechnung.“
c) Anwendung der Rechtsprechung des BVerfG auf den Gesetzgebungsvorschlag
Die Ausdehnung des Mietervorkaufsrechtes (§ 577 BGB) und der Kündigungssperrfrist (§ 577a BGB) auf nahezu sämtliche Veräußerungen[38] von vermieteten Wohnungen kann sowohl für den veräußerungswilligen Eigentümer einer vermieteten Wohnung wie auch für den Erwerber der Wohnung nachteilige Auswirkungen haben.
Der bisherige Eigentümer wird die Wohnung unter Umständen nur zu einem niedrigeren Preis veräußern können, was insbesondere bei einer Vermietung der Wohnung unterhalb des Marktniveaus der Fall sein kann.[39]
Es ist allgemein anerkannt, dass der Schutz des Mieters vor dem unverschuldeten Verlust der Wohnung, die für ihn und seine Familie den Mittelpunkt seines privaten Lebens darstellt und damit eine ganz wesentliche soziale Funktion erfüllt, auch eine Beschränkung der Befugnisse des Wohnungseigentümers rechtfertigt.[40] Dabei ist es von den jeweiligen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen abhängig, was dem Eigentümer an Einschränkungen auferlegt werden kann.[41] Die Veräußerung von vermietetem Wohnraum in Zeiten mit erheblichem Wohnraummangel (insbesondere akuter Mangel an bezahlbaren Wohnungen in Ballungsgebieten) beeinträchtigt den Mieter wegen der erhöhten Gefahr der Eigenbedarfskündigung und der besonderen Schwierigkeiten bei der Suche nach angemessenem Ersatzwohnraum in besonderem Maße. Dies rechtfertigt grundsätzlich eine über die allgemeinen Vorschriften zur ordentlichen Kündigung von Wohnraummietverhältnissen (§ 573 BGB) hinausgehende gesetzliche Beschränkung der Eigentümerbefugnisse bei Erwerb von vermieteten Wohnungen, welche über den gegenwärtigen Mieterschutz bei erstmaliger Veräußerung nach Aufteilung in Wohnungseigentum (§§ 577, 577a BGB) hinausgeht.
Bei Umsetzung der vorgeschlagenen Ausdehnung des Mietervorkaufsrechtes in § 577 BGB wäre die Dispositionsbefugnis des bisherigen Vermieters über sein Eigentum (Art. 14 I GG) eingeschränkt, weil ggf. nur noch Veräußerungen an Familien- oder Haushaltsangehörige des Vermieters das Vorkaufsrecht ausschließen würden, was gleichsam zu einem Eingriff in die Vertragsfreiheit (Art. 2 I GG) führen würde. Der Gesetzgeber würde diese Einschränkung jedoch wiederum zum Schutz des Besitzrechts des Mieters vornehmen, welches seinerseits durch Art. 14 I 1 GG geschützt ist. Auch die Einräumung eines (nahezu) generellen Vorkaufsrechtes zu Gunsten des Mieters würde in Zeiten eines gravierenden Wohnungsmangels einem gerechten Ausgleich der beiderseitigen Grundrechtspositionen dienlich sein und die schutzwürdigen Interessen von Mieter und Vermieter in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander bringen. Dem Vermieter bliebe ferner die Möglichkeit erhalten, sein Eigentum zu veräußern. Demgegenüber könnte sich der Mieter durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes vor einer Verschlechterung seiner kündigungsrechtlichen Position infolge der Veräußerung an einen Dritten schützen, ohne dass er eine solche Veräußerung selbst verhindern könnte. Dies würde die Rechtsposition des Mieters zwar verbessern, aber gleichzeitig dem verfassungsrechtlich legitimen Zweck dienen, dessen Eigentumsposition zu schützen, ohne den Eigentümer des Wohnraums übermäßig in seinen Grundrechten zu beschränken. Denn die Möglichkeit zur Veräußerung seines Eigentums bliebe auch bei Anwendung der §§ 577, 577a BGB (in der Fassung der hier vorgeschlagenen Änderungen) grundsätzlich erhalten. Damit würde der Gesetzgeber den beiderseitigen verfassungsrechtlich geschützten Positionen von Vermieter und Mieter hinreichend Rechnung tragen.
Auf Seiten des Erwerbers wäre innerhalb der Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, dass dieser bei Erwerb einer vermieteten Wohnung bereits Kenntnis vom Mietervorkaufsrecht und der Kündigungsbeschränkung gemäß §§ 577, 577a BGB (in der Fassung der hier vorgeschlagenen Änderungen) hätte und sich daher bewusst in eine Situation begeben würde, in der er aus Gründen des sozialen Schutzes des Mieters seine dem Eigentumsrecht entspringende Befugnis zur Eigennutzung nicht unmittelbar und sofort geltend machen könnte, sondern ggf. erst nach Ablauf einer angemessenen Übergangszeit.
Eine verlängerte Kündigungssperrfrist in § 577a Abs. 2 BGB [42] (in der Fassung der hier vorgeschlagenen Änderung) würde weiterhin auf Wohnungen beschränkt bleiben, die in Gebieten belegen sind, in welchen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und als solche durch Rechtsverordnung von den Landesregierungen bestimmt sind. Dadurch würde die damit verbundene besonders intensive Einschränkung der Eigentümerbefugnisse auf Gebiete begrenzt werden, in denen sich Eigenbedarfskündigungen für den Mieter in der Regel ganz besonders nachteilig auswirken.
[1] https://www.boeckler.de/de/auf-einen-blick-17945-20782.htm.
[2] Deutscher Mieterbund, Beratungs- und Prozessstatistik 2014 und 2022.
[3] Berliner Mieterverein, Eigenbedarfskündigung: Auf den Schock folgt Resignation, abrufbar im Internet unter: https://www.berliner-mieterverein.de/aktuelles/newsletter/eigenbedarfskuendigung-auf-den-schock-folgt-resignation-nl0723.htm.
[4] BGH, Urteil vom 29.03.2006 - VIII ZR 250/05, NJW 2006, 1869; BGH, Urteil vom 22.06.2007 - V ZR 269/06, NJW 2007, 2699.
[5] Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 577 Rn. 4; Blank, in: Schmidt-Futterer, MietR, 8. Aufl., § 577 Rn. 3; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 577 Rn. 3.
[6] BGH, Urteil vom 29.03.2006 - VIII ZR 250/05, NJW 2006, 1869; BGH, Urteil vom 22.06.2007 - V ZR 269/06, NJW 2007, 2699.
[7] BGH, a.a.O. (Fn. 6); vgl. auch Urteil vom 14.04.1999 - VIII ZR 384–97, NJW 1999, 2044.
[8] BT-Drs. 12/3013, 18; BT-Drs. 12/3254, 40.
[9] BGH, Urteil vom 21.01.2015 – VIII ZR 51/14, NJW 2015, 1516, 1519 mit Verweis auf BT-Drs. 12/3013; BT-Drs. 12/3254.
[10] BT-Drs. 12/3254 v. 15.09.1992, S. 40.
[11] BT-Drs. VI/2421, 3; BGH NJW 2003, 3265; BGH NJW 2009, 1808.
[12] BT-Drs. 11/6374, 5; BGH, Urteil vom 21.03.2018 - VIII ZR 104/17, NJW 2018, 2187.
[13] BGH, Urteil vom 09.07.2003 - VIII ZR 26/03.
[14] Häublein, in MüKo-BGB, § 577a Rn. 1 mit Verweis auf BT-Drs. 11/6374, 5; BGH NJW 1994, 2542; BayObLG NJW-RR 2002, 299.
[15] BGBl. I 2013, Nr. 13 vom 18.03.2013.
[16] Bestätigt vom BGH, Urteil vom 16. 7. 2009 - VIII ZR 231/08, NJW 2009, 2738.
[17] Häublein, a.a.O., § 577a Rn. 8.
[18] Blank/Fervers, in: Schmidt/Futterer, Mietrecht, § 577a, Rn. 15 m.w.N.
[19] Häublein, a.a.O., § 577a Rn. 21 mit Verweis auf BayObLG, Rechtsentscheid vom 24.11.1981, NJW 1982, 451.
[20] Sperrfristverordnungen haben erlassen: Baden-Württemberg: KSpVO BW v. 16.6.2020 (Sperrfrist: 5 Jahre, endet 30.6.2025); Bayern: MiSchuV v. 14.12.2021 (10 Jahre, endet 31.12.2025); Berlin: KünSchKlVO v. 13.06.2023 (10 Jahre, endet 30.9.2033); Hamburg: KündSchFristVO v. 8.8.2023 (10 Jahre, endet 31.8.2033); Hessen: MiSchuV v. 18.11.2020 (5-8 Jahre, endet 25.11.2025); Niedersachsen: MiSchuV NS v. 22.12.2020 (5 Jahre, endet 31.12.2027); Nordrhein-Westfalen: MietSchVO NRW v. 9.6.2020 (5 Jahre, endet 30.6.2025).
[21] GVBl. 2023, S. 228.
[22] Bisher haben folgende Länder von der Verordnungsermächtigung samt Festlegung der betroffenen Wohngebäude nach Wohnungsanzahl (§ 250 Abs. 1 S. 6 BauGB) Gebrauch gemacht: Berlin (VO v. 21.9.2021, endet am 31.12.2025), Bayern (VO v. 25.4.2023, endet 31.12.2025), Hamburg (VO v. 2.11.2021, endet 31.12.2025), Hessen (VO v. 28.4.2022, endet am 31.12.2025), Niedersachsen (VO v. 14.9.2022, endet 31.12.2025),
[23] GVBl. Nr. 83 vom 03.12.2021, S. 1283.
[24] Z.B. Land Berlin durch die Umwandlungsverordnung vom 04.02.2020, GVBl. 2020, S. 38.
[25] Siehe zu diesem Befund Abschnitt I. zu Ziffer 1; ferner aktuell: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/eigenbedarf-wohnungen-100.html.
[26] Im österreichischen Mietrecht (§ 30 Abs. 3 S. 2 MRG) wird der Mieter bereits heute durch eine starre Kündigungssperrfrist von 10 Jahren per se vor "gekauftem Eigenbedarf" geschützt.
[27] Sehr eindrucksvoll dokumentiert in der aktuellen TV-Reportage "Eigenbedarfskündigung: Familie Weiser muss raus", https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/eigenbedarfskuendigung-familie-weiser-muss-raus-100.html.
[28] Oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, welche sich in entsprechender Anwendung auf § 573 II Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines oder mehrerer ihrer Gesellschafter oder deren Angehöriger berufen kann (BGH, Urt. v. 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, NJW 2017, 547).
[29] Papier/Shirvani, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 2024, Art. 14 Rn. 432 mit Verweis auf BVerfGE 79, 292 (302); 81, 29 (32); 89, 1 (6)).
[30] Papier/Shirvani, a.a.O. ebd. mit Verweis auf BVerfGE 79, 292 (305).
[31] Gaier, a.a.O., ebd.
[32] Gaier, a.a.O., ebd.
[33] Gaier, a.a.O., ebd.
[34] Gaier, a.a.O., ebd., m.w.N.
[35] Gaier, a.a.O., ebd.
[36] BVerfGE 68, 361 (368) = NJW 1985, 2633.
[37] Gaier, a.a.O., ebd.
[38] Ausnahme: Nichtbestehen des Mietervorkaufsrechts bei Veräußerung an Familienangehörige o. Haushaltsangehörige (§ 577 I 2 BGB).
[39] BGH, Urteil vom 23.2.2022 – VIII ZR 305/20, BeckRS 2022, 5040.
[40] BVerfG, Urteil vom 14.02.1989 – 1 BvR 308/88, NJW 1989, 970 mit Verweis auf BVerfGE 52, 1 (32) = NJW 1980, 985.
[41] BVerfG, Urteil vom 14.02.1989 – 1 BvR 308/88, NJW 1989, 970 mit Verweis auf BVerfGE 52, 1 (30) = NJW 1980, 985.
[42] Derzeit bis zu 10 Jahre gem. § 577a Abs. 2 Satz 1 BGB.
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